100 Jahre Judo Club Wiesbaden
Bericht im Wiesbadener Kurier am 14.09.2022 von Hendrik Jung
WIESBADEN - Der Judo Club Wiesbaden feiert am kommenden Wochenende das 100-jährige Bestehen des Vereins. Die Gründung erfolgt im Jahr 1922 jedoch als Jiu-Jitsu-Club Wiesbaden. Anfang der 20-er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist Vereinsgründer Otto Schmelzeisen durch seinen Beruf als Polizeibeamter mit dieser japanischen Kampfkunst der waffenlosen Selbstverteidigung in Verbindung gekommen. In Frankfurt und Berlin entstehen in dieser Zeit ebenfalls erste Vereine, die sich dem Sport auch in Wettkämpfen widmen. Die Wiesbadener Vereinschronik berichtet, dass Sportler aus beiden hessischen Hochburgen bei einem Städtekampf in London im Jahr 1926 erstmals den Judosport kennenlernen. 1937 habe dann eine kombinierte Mannschaft aus Wiesbaden und Frankfurt einen historischen Sieg in London erreicht. Damals habe die bis dahin unbesiegte Judo-Metropole Europas ihre erste Niederlage erlitten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Kampfsport bis 1948 von den alliierten Besatzungsmächten verboten. Danach wird der Verein schnell wieder aktiv, und im Jahr 1950 erfolgt schließlich die Umbenennung in Judo Club Wiesbaden (JCW).
„Es sind bewegende hundert Jahre gewesen“, betont Vereinspräsident Philipp Eckelmann. Im Jahr 1973 weist die Chronik eine Mitgliederzahl von 1000 aus. Zur Zeit ist die Mitgliederschaft mit knapp 600 wieder auf ein Niveau wie vor der Pandemie angewachsen. „Es war nicht einfach, die Mitglieder bei der Stange zu halten. Kontaktsport war ja lange verboten“, verdeutlicht Pressewartin Tonja Bröder.
Sechs der sieben Abteilungen des JCW sind Budo-Sportarten, zu denen auch Aikido, Karate, Kendo und Kyudo gehören. Außerdem gehört Parkour dazu, ein Sport, bei dem es gilt, Hindernisse möglichst effizient zu überwinden. Seit vielen Jahren besteht die Judo-Abteilung aus mehr als der Hälfte der Vereinsmitglieder. Zweitgrößte Sparte ist der Sport, mit dem im Verein alles begann und der hier heute Ju-Jutsu geschrieben wird. Gemeinsam machen diese beiden Abteilungen rund drei Viertel der Mitglieder aus. Heute herrsche ein gutes Miteinander zwischen den Abteilungen, doch es gab eine Phase, in der das nicht so gewesen ist. „Es ist nicht gut, wenn andere Sparten für einen Sport zurückstehen müssen“, blickt Eckelmann zurück. Ende der 1990-er Jahre sei immer mehr Geld für die Judo-Bundesliga benötigt worden. Die Herren qualifizieren sich 1970 dafür, den Damen gelingt dies 1991, sodass sie zum Start der zweigleisigen Bundesliga dabei sind. „Am Anfang haben wir mit einer eigenen Mannschaft daran teilgenommen. Dann hat es bei den Frauen auch nicht mehr funktioniert“, blickt die damalige Frauen-Trainerin Beate Schmidt zurück. Auch bei den Damen seien mit der Zeit immer mehr Judoka von außerhalb angetreten.
1997 wird das Untergeschoss der Sporthalle am Zweiten Ring als Otto-Schmelzeisen-Dojo eingeweiht. Da der Verein sich finanziell an dem Gebäudeteil beteiligt, kann er dafür Sorge tragen, dass hier ein Schwingboden eingebaut wird, auf dem Matten fest installiert werden und die Vereinsmitglieder einen Kraft- und Schwitzraum nutzen können. Nur ein Jahr später jedoch tritt der gesamte Vorstand zurück wegen Unstimmigkeiten bei der Finanzierung der Männer-Bundesliga. In den Folgejahren wird von verschiedenen Vorständen um die Finanzierung des Bundesligabetriebs gerungen. Im Jahr 2005 fällt dann die Entscheidung, das Frauenteam freiwillig aus der ersten Liga zurückzuziehen.
Seitdem ist die finanzielle Konsolidierung gelungen, ein Schwerpunkt wird auf die Nachwuchsarbeit gelegt, und JCW-Sportler sind zu Weltmeister-Ehren gekommen. Alexander Wieczerezak bei den Judoka und Roman Apolonov, Peter Morgner und Mario Staller im Ju-Jutsu. Seit bald 20 Jahren gibt es ein Judo-Angebot für Menschen mit Handicap, und in diesem Jahr trainieren fast drei Dutzend überwiegend minderjährige Judoka aus der Ukraine im Dojo. „Wir haben uns den veränderten Rahmenbedingungen immer wieder angepasst“, betont Eckelmann.
Eine große Veränderung werde durch den Sportpark Rheinhöhe auf den Verein zukommen, weil man dadurch Parkplatzprobleme befürchtet. Ein Thema werde zudem in Dauerschleife diskutiert. „Wir hätten gerne wieder einen hauptamtlichen Trainer“, erläutert Bröder. Das würde vieles erleichtern, werde jedoch zugunsten der finanziellen Stabilität immer wieder zurückgestellt.