JCW-Judoka Wieczerzak will sich Olympia-Traum erfüllen
Bericht im Wiesbadener Kurier am 28.05.2022 von Torsten Muders
WIESBADEN/KÖLN - Sportliche Träume sind was Schönes. Man kann in ihnen tagsüber schwelgen oder sie kommen einem nachts im besten Fall auch ins Unterbewusstsein. Noch schöner ist es allerdings, wenn sie sich erfüllen. Den Traum vom WM-Titel, als sich Alexander Wieczerzak völlig überraschend 2017 in Budapest als 124. der Weltrangliste krönte, hat sich der Judoka des JC Wiesbaden erfüllt. Die Sache mit der Olympiateilnahme war aber bisher eher ein Albtraum für den Wahl-Kölner.
Die Spiele 2016 verpasste er ebenso wie die in Tokio 2021. Der nationale Kontrahent in seiner Gewichtsklasse, Dominic Ressel, war einfach zu stark und machte das Rennen. Und der vor Kraft strotzende Wieczerzak erlebte, wie schwach und verletzlich man sich auf einmal fühlen kann. 2016 erkrankte er auf Kuba an Dengue-Fieber. „Die Ärzte sagten, ich war kurz vor dem Tod. Darüber habe ich mir vorher nie Gedanken gemacht“, steckte der in Frankfurt aufgewachsene Wieczerzak diesen Rückschlag weg.
2020 erwischte es ihn dann mit Corona, gleich zweimal. Und das ziemlich heftig, wie er damals schilderte. Doch auch das machte ihn nur noch stärker. Die Ärzte gaben ihm wieder grünes Licht zum Leistungssport. Sein Traum lebt weiter. „Ich glaube an mich. Und ich will es rocken“, sagte Wieczerzak in einer ARD-Doku mit dem Titel „Fighter – zwischen Tod und Olympia“ über den erhofften krönenden Abschluss 2024 seiner Karriere dann in Paris. Dann wäre der heute 31-Jährige 33 Jahre alt. Schon ein „alter Sack“ für einen Leistungssportler? „Ole Bischof war doch 2012 auch 33, als er noch Olympia-Silber gewann“, erinnert sich Wieczerzak an ein Vorbild in Judo-Deutschland.
Bischof gewann sogar 2008 Gold. Der Traum schlechthin aller Sportler. Und dafür kann man auch mal zunehmen? Ja, richtig gelesen. Während Wieczerzak all die Jahre für seine Gewichtsklasse bis 81 Kilogramm eher zu den Wettkämpfen hin abspecken musste, um an den Kampftagen ja kein Gramm zu viel zu wiegen, heißt es nun: Futtern für Olympia. Der Hintergrund: Wieczerzak rechnet sich in der Klasse bis 90 Kilogramm bessere Chancen aus, auch wenn dort mit Eduard Trippel vom JC Rüsselsheim nicht nur ein Freund kämpft, sondern auch der aktuelle Olympia-Zweite von Tokio. „Doch jeder muss seine Erfolge der Vergangenheit erst mal wieder beweisen.
Das ist ungleich schwerer. Ich kann davon ein Lied singen“, wirkt Wieczerzak am Telefon in Köln aber ganz entspannt und gut gelaunt, auch wenn er jetzt praktisch wieder bei null anfangen muss. Mit der Kalorienzufuhr ist das nämlich so eine Sache. „Warum nehme ich nicht zu?“, fragte sich Wieczerzak zunächst. Dabei stellte der Athlet, der liebend gerne sein eigenes Brot macht, fest, dass er noch mehr Kohlehydrate und Proteine auf dem Speiseplan haben muss und auf das Frühstück nicht wie zuvor gänzlich verzichten darf. „Bio-Eier“, kommen ihm als erstes in den Sinn bei der Nachfrage nach Lebensmittel, die er nun vermehrt reinstopft. Bei aller Futterei darf natürlich das Gleichgewicht zwischen Masse und Muskel nicht außer acht gelassen werden. „Ich mache definitiv mehr Krafttraining“, berichtet der Modell-Athlet aus seinem Trainingsalltag. Also ist ein Bäuchlein nicht zu befürchten. Wie viel er derzeit wiege, wisse Wieczerzak gar nicht, stellt er sich doch nicht täglich auf die Waage. Vor dem letzten Wettkampf in der Türkei waren es aber knapp 90 Kilogramm.
„Judo verlangt so viel. Man braucht Kraft, Technik und Ausdauer“, sieht Wieczerzak die Herausforderung in der Vielfalt der Anforderungen in seiner Sportart, die ihm schon viele schöne, aber eben auch bittere Momente beschert hat. Jetzt also der letzte Versuch für Olympia.
Der Nationalkader war gerade in Brasilien auf Lehrgang. Wieczerzak blieb in Köln. Der neue Bundestrainer, mit Pedro Guedes ein Brasilianer, setze aber auf ihn. „Wir haben viele Sachen geändert, strukturell bis hin zur Taktik“, will sich der Ex-Weltmeister noch gar nicht mit fernen Zielen gedanklich beschäftigen, sondern eher bei der DM im nächsten Monat und bei European-Cup-Events erste Erfolge in der neuen Gewichtsklasse einheimsen. Damit die schönen Träume in zwei Jahren auch Wirklichkeit werden können.