Judo-Club Wiesbaden hilft jungen Ukrainern
Bericht im Wiesbadener Kurier am 06.05.2022 von Torsten Muders
WIESBADEN - Es ist zuallererst das große Leid der Flüchtlinge, ihrer Kriegsheimat den Rücken kehren zu müssen. Unzählige persönliche Schicksale in diesem unfassbaren Unglück stehen dahinter. Die Zivilgesellschaft, die in Deutschland jenen hilft, ist dann auf der anderen Seite etwas Schönes in diesem Elend.
„Wir wollen die Situation so gut wie möglich auffangen. Wenn die Kinder auf der Matte stehen, können sie ein wenig abschalten“, sagt Robertson Linsner über die rund 30 ukrainischen Kinder und Jugendliche aus einem Judo-Internat, die derzeit beim JC Wiesbaden trainieren.
Der Judoverein hatte sich im März spontan dazu entschlossen, zwei größere Gruppen mit Minderjährigen aus Saporischschja im Süden des vom Krieg gebeutelten Lands aufzunehmen (wie bereits berichtet). Die Verbindung zu dem ukrainischen Judotrainer Kyrill Vertynskyi über die ehemalige JCW-Bundesliga-Kämpferin Maryna Cherniak machten es möglich. Nach tagelanger Busfahrt mit einem unfreiwilligen Corona-Zwischenstopp in Wien sind die 11- bis 17-Jährigen schon seit einigen Wochen in Wiesbaden. Dabei war der zweite kleinere Sprinter-Bus mit insgesamt 13 Kinder und zwei Erwachsenen, darunter der ehemalige Olympiateilnehmer Stanislav Bondarenko, auf fünf Sitzplätzen drei Tage unterwegs. Bei der Evim und im Johannesstift haben die Kinder eine gemeinsame Unterkunft. Beim JCW können sie praktisch fast jeden Tag ihrem geliebten Sport nachgehen.
„Es geht ihnen durchwachsen. Manche sind noch im Klassenfahrtsmodus, andere machen sich natürlich viele Sorgen und Gedanken, wie es nun weitergeht“, beobachtet Linsner bei den Kids. Bei der jüngsten Flüchtlingsmesse im Schlachthof war die Gruppe vor Ort. Manche der Eltern, die zunächst in der Ukraine geblieben waren, sind mittlerweile in Polen und Tschechien und haben ihre Kinder dorthin geholt.
Es ist aber gut möglich, dass ein Teil der Kinder auch dauerhaft in Deutschland bleiben wird. „Sie gehen noch nicht in die Schule. Eine Vereinskollegin und eine Mutter, die als Lehrerin in einer Intensivklasse arbeitet, bieten ihnen aber regelmäßig Deutschunterricht an“, freut sich Linsner, dass es im JCW so viele helfende Hände gibt.
Das „einfache Mitglied“ Linsner, der im Berufsleben für das Rote Kreuz Volunta aktiv ist, war praktisch selbst zur richtigen Zeit am richtigen Ort, wie er sagt, und hat einfach angepackt und organisiert. „Ich wusste vorher aber auch nicht, wie man mit unbegleiteten Jugendlichen umgeht. Aber bei der Stadt und all ihren Ämtern haben wir ebenso tolle Hilfe und Unterstützung bekommen“, lobt der Judoka die Zusammenarbeit.