Judo-Stars zum Anfassen beim DM-Finale in Wiesbaden
Über 1000 Besucher kommen zum Event in der Halle am Platz der Deutschen Einheit. Auch der in Wiesbaden lebende Daniel Stamm hat hier einen emotionalen Auftritt.
Bericht im Wiesbadener Kurier am 06.102.204 von Katja Sturm
Wiesbaden, 05.10.2024 - Es war das letzte Kapitel einer langen Geschichte, und Daniel Stamm freute sich über das Happy End. Gemeinsam mit dem Team des TV Remscheid gewann der 26 Jahre alte Judoka am Samstag das Bundesligafinale in Wiesbaden. Der Triumph stellte sowohl für ihn selbst als auch den Verein eine Premiere dar. Doch für Stamm, der in der hessischen Landeshauptstadt ein Heimspiel genießen durfte, enthielt er noch eine ganze besondere Komponente.
Körperlichen Problemen Tribut gezollt
„Für mich endet jetzt hier die Geschichte“, sagte der gebürtige Aschaffenburger, der seit sechs Jahren in Wiesbaden lebt. „Nach 20 Jahren Judo werde ich meine Karriere beschließen.“ Zu sehr hatten ihm in den vergangenen Jahren körperliche Probleme zugesetzt. Auch diesmal ging er angeschlagen auf die Matte. Zwei Wochen lang war Stamm krank gewesen, dann verletzte er sich einen Tag vor dem Debüt im Final Four am Rücken. Während sein Team im Halbfinale den Vorjahreszweiten TSV Abensberg mit 10:4 klar dominierte, verlor er selbst sein schon nicht mehr wichtiges Duell in der Klasse bis 90 Kilogramm gegen Weltmeisterschaftsteilnehmer Johann Lenz.
Im Endkampf gegen die TSG Backnang trat Stamm eine Gewichtsklasse höher an, und auch hier konnte er sich gegen den früheren Europameister Michael Korrel aus den Niederlanden keinen Punkt verdienen. Der große Wurf sollte den Remscheidern dennoch gelingen: Der Olympiazweite Eduard Trippel verhinderte als letzter Kämpfer ein Unentschieden, indem er in der Klasse bis 90 Kilogramm Fabian Kansy auf die Matte legte und für das 8:6 sorgte. Zuvor hatten die Remscheider es sich in diesem knappen Duell selbst schwer gemacht: Trotz eines Hinweises der Schiedsrichter war Anthony Zingg mit einem Anzug angetreten, dessen Ärmel zu kurz waren. Ein Nachteil für den Gegner, der so nicht zupacken kann. Die Wertung ging kampflos an Backnang.
Junge Fans feuern Trippel und Stamm an
Trippel und Stamm durften sich bei ihren Auftritten der Anfeuerung besonders vieler junger Fans auf den mit mehr als 1000 Zuschauern gefüllten Tribünen der Sporthalle am Platz der Deutschen Einheit erfreuen. Nicht nur Wiesbadener, sondern auch Rüsselsheimer Nachwuchs war zu dem Ereignis gekommen, bei dem erstmals Männer und Frauen zusammen ihr Bundesliga-Finale austrugen, wobei sich bei Letzteren der JSV Speyer mit 10:4 gegen die hier als Titelverteidiger vertretene TSV Backnang durchsetzte. Der frühere deutsche Junioren- und Kadettenmeister Stamm war einst mit dem JC Wiesbaden aus der Regionalliga in die zweite Klasse aufgestiegen. Dann zog der Verein sich nach nur einer Saison aus dieser zurück, und Stamm wechselte in Trippels Rüsselsheimer Heimatverein.
Nach vier Jahren kam das Angebot aus Remscheid. Durch seinen Beruf als Polizist ist Stamm Wiesbaden aber nicht nur als Trainer beim JCW treu geblieben. Um das Final Four der Männer hatte sich auch Remscheid beworben, wollte es in Wuppertal ausrichten. Doch weil es für den Endkampf der Frauen keinen Gastgeber gab, entschlossen sich die Verantwortlichen des Deutschen Judo-Bundes (DJB), beide Entscheidungen am gleichen Ort und selbst zu organisieren. Das Pilotprojekt, das gut ankam, soll Vorbild sein für zukünftige deutsche Meisterschaften. „Wir wollen alle unsere Höhepunkte auf gleichem Niveau und mit gleichem Erscheinungsbild veranstalten“, erklärte Vorstandssprecher Frank Doetsch.
Anna-Marie Wagner und Miriam Butkereit verteilen Autogramme
Vermehrt sollen zu solchen Ereignissen aktuelle und ehemalige Top-Athleten eingeladen werden. Als „Wertschätzung“, aber auch, um den Nachwuchs zu motivieren. In Wiesbaden verteilten so unter anderem Weltmeisterin Anna-Maria Wagner, die noch an ihrer Knieverletzung bei den Olympischen Spielen in Paris laboriert, und die dortige Silbermedaillengewinnerin Miriam Butkereit Autogramme. Vor dem Kiosk im Untergeschoss lag eine Aufwärmmatte, sodass angesichts der internationalen Klasse, die sich hier vor ihren Einsätzen tummelte, das Motto „Judo-Stars zum Anfassen“ dick unterstrichen wurde.
Obwohl sich die Remscheider im Vorfeld über die Verlegung beschwert hatten, sollte der Erfolg den Ärger in den Hintergrund drängen. Stamm konnte die Ortswahl nur recht sein. Erst nach dem Halbfinale hatte er Betreuer und Kollegen von seinem bevorstehenden Rücktritt in Kenntnis gesetzt und dabei ein paar Tränen verdrückt. Später, als die T-Shirts verteilt wurden, die die Remscheider als deutsche Meister auszeichneten, blickte er auf den Tag zurück, der ihm vor heimischer Kulisse einen seiner größten Erfolge einbrachte, und fragte rhetorisch: „Was will man mehr?“