Neue Gewichtsklasse: Alexander Wieczerzak greift nochmal an
Bericht im Wiesbadener Kurier am 18.01.2022 von Tobias Goldbrunner
WIESBADEN - Es tat weh. Aber es tat auch gut. Sehr gut sogar. Zehn Tage schwitzte Alexander Wieczerzak zuletzt im Kreise der deutschen Judo-Nationalmannschaft in Kienbaum. Ein intensives Trainingslager für den 30-Jährigen, der in den sechs Monaten zuvor „vielleicht insgesamt fünf, sechs Mal“ auf der Matte gestanden hatte. „In Kienbaum waren es dann direkt wieder zwei Judo-Einheiten am Tag“, schilderte Wieczerzak. Und genau das genoss der Ausnahmeathlet des JC Wiesbaden.
Schließlich hat er einen neuen Weg eingeschlagen, nimmt eine neue Herausforderung in Angriff: Der Weltmeister von 2017 wechselt die Gewichtsklasse – von 81 auf 90 Kilogramm. In der neuen Kategorie will der Wahl-Kölner nach zwei enttäuschenden Jahren, in denen er von Verletzungen und Erkrankungen gebeutelt war, international wieder voll angreifen. Ganz oben anklopfen.
„Nachdem ich die Olympischen Spiele in Tokio verpasst habe, habe ich mir lange Gedanken gemacht, wohin die Reise für mich gehen könnte“, erzählt Wieczerzak. Wochen vergingen. Monate. „Irgendwann war mir klar: Ich will und muss noch mal frische Reize setzen.“ Der JCW-Kämpfer setzte sich mit dem neuen Bundestrainer Pedro Guedes zusammen. „Und auch er riet mir: Wechsel die Gewichtsklasse“, berichtet Wieczerzak. Zumal das auch für Kopf und Körper eine Befreiung ist: Zehn Jahre lang machte Wieczerzak für jeden Wettkampf Gewicht, musste innerhalb weniger Tage teils sieben Kilogramm abkochen. Nun muss der Ex-Weltmeister eher zulegen. Wieczerzak absolvierte zu Beginn des Winters etliche Einheiten im Kraftraum. Ehe Ende November ein Rückschlag erfolgte: Wieczerzak – geimpft – infizierte sich binnen eines Jahres ein zweites Mal mit dem Coronavirus. Litt erneut mehrere Tage unter Kopfschmerzen und Erschöpfung. Verlor drei Kilogramm Körpergewicht.
In Kienbaum kehrte er dann auf den Tatami zurück. Und fühlte sich „stärker als gedacht“. Der Plan für die kommenden Monate ist klar: Wieczerzak will bei den Europameisterschaften vom 29. April bis 1. Mai in Sofia starten. Bis dahin soll er möglichst viele Turniere bestreiten. „Dort werden wir sehen, woran ich arbeiten muss: Am Gewicht? An der Kraft?“, so Wieczerzak, dem die Freude an seinem Sport wieder anzumerken ist.
30-Jähriger wechselt Bundesliga-Team
Die WM im Herbst? Olympia 2024 in Paris? Wieczerzak schließt nichts aus, will aber einen Schritt nach dem anderen machen. Wohl wissend, dass er mit Eduard Trippel den zuletzt erfolgreichsten deutschen Judoka in seiner neuen Gewichtsklasse vor sich hat. Der Rüsselsheimer gewann in Tokio Olympia-Silber. Und ist ein enger Freund von Wieczerzak. „Ich freue mich schon, mich mit Eduard zu messen. Ich sage immer: Auf der Matte wird gekämpft, daneben kann man die besten Kumpels sein.“ Der 30-Jährige weiß, „dass Eduard derzeit noch ganz, ganz weit weg ist. Aber 2017 bei der WM war ich als 124. der Weltrangliste auch der krasse Außenseiter – genau das motiviert mich.“
Auch in der Bundesliga sucht Wieczerzak übrigens eine neue Herausforderung: Der Wahl-Kölner hat den KSV Esslingen verlassen, will nun Gespräche mit interessierten Clubs führen. „Noch ist alles offen“, meint Wieczerzak.