Wiesbadens Judoka zeigen: Kontaktsport geht auch ohne Gegner
Bericht im Wiesbadener Kurier am 30.05.2020 von
WIESBADEN - Verdutzte Blicke gibt es an diesem Mittwoch im Kurpark nicht nur einmal: Was machen die da mit diesen komischen Bändern? Die – das sind die Judoka des Judo Club Wiesbaden (JCW). Und was? Tandoku Renshu. „Das ist Training, wie man es aus vielen anderen Sportarten kennt: Ohne Partner, sozusagen mit einem Schatten“, erklärt JCW-Trainer Marcel Stebani. Mit dem eigenen Schatten – und mit dem Theraband, das den Judoka hilft, beispielsweise den Kraftaufwand zu simulieren, den man für den Schulterwurf eines Gegners benötigt.
Auch der Wiesbadener Judo Club Kim-Chi trainiert auf diese Weise. „Alle Bewegungsabläufe, die wir sonst mit Partner trainieren, trainieren wir jetzt so. Tandoku Renshu ist immer schon Trainingsinhalt“, erläutert Siegbert Geuder, 2. Vorsitzender bei Kim-Chi, das Prinzip. Normalerweise eigne es sich besonders gut für Aufwärm- und explizite Technikübungen. Jetzt ist es Tagesprogramm und die Judo-Antwort auf die coronabedingten Kontaktbeschränkungen.
„Übungen ohne Partner sind insbesondere auch mentales Training, um sich auf Bewegungsabläufe zu fokussieren.
Damit kann man sich Jahre beschäftigen“, weiß auch Philipp Eckelmann, 1. Vorsitzender des JCW. Was nicht bedeute, dass normale Übungskämpfe – Randori – vollwertig ersetzbar wären. Aber man müsse das Beste aus der aktuellen Lage machen, nimmt es Geuder sportlich: „Da auf absehbare Zeit eh keine Wettkämpfe stattfinden, ist das eine gute Gelegenheit für intensiveres und individuelleres Technik- und Athletiktraining.“ Wenn nicht spätestens bis zu den Sommerferien zumindest ein fester Trainingspartner pro Judoka erlaubt sei, seien Wettkämpfe in 2020 undenkbar. „Wettkampfsport im Judo tut richtig weh. Wenn man nicht gut vorbereitet ist, ist die Verletzungsgefahr enorm groß“, stellt Geuder klar. JCW-Chef Eckelmann pflichtet ihm bei: „Wenn man jemanden unfit zum Wettkampf auf die Matte stellt, sodass der sich verletzen kann, ist das nah an unverantwortlich.“
Kim-Chi hat vor zwei Wochen unter Hygiene- und Abstandsauflagen das Hallentraining wieder aufgenommen. Kontrollierter Zugang, Sicherheitsabstand, Desinfektion der Sportgeräte vor und nach jeder Nutzung, verkleinerte Trainingsgruppen – trotz Einschränkungen verlaufe das Training bisher vielversprechend. „2020 ist trotzdem ein Rückschlag. Gerade für den ältesten Jahrgang in einer Jahrgangsgruppe, die nochmal Erfahrungen und Selbstbewusstsein für die nächsthöhere Wettkampf-Altersgruppe sammeln wollten“, bedauert Alexandra Lenk, 1. Vorsitzende von Kim-Chi Wiesbaden.
Der JCW hat eine Woche später mit dem Training begonnen, dafür auch im Freien. Auch dort achtet Trainer Stebani auf Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. „Dieses kontaktlose Training wäre auch eine tolle Idee für die Zukunft, das kann man altersklassenübergreifend machen. Alter, Körpergröße, Gewicht und Kraft sind unwichtiger.“ Und wie sehen das die Judoka? „Es ist schon eine andere Belastung als sonst, aber wir haben versucht, das relativ judonah zu halten. Es hat sehr viel Spaß gemacht“, urteilt die 17-jährige Leonie Rüenauver. Aber normale Übungskämpfe ersetze das nicht, meint auch die 16-jährige Hanna Sedlmair. „Nach dem richtigen Randori-Training bin ich total ausgepowert und falle eigentlich nur noch ins Bett. So anstrengend war das hier nicht.“
Ein herzliches Dankeschön an den Wiesbadener Kurier für den Bericht und dieses schöne Video.