Wie Helene Riegert vom JCW die Familientradition fortsetzt
Bericht im Wiesbadener Kurier am 07.06.2022 von Susan Dobias
SAULHEIM - Judo und die Familie Riegert aus Saulheim gehören einfach zusammen. Aktuell kämpfen die Zwillinge Anne und Grete (beide 22) für den Judo Club Wiesbaden. Die Zwillinge Leander und Paul (beide 27) waren früher ebenfalls aktiv. Und auch Helene konnte sich der Anziehungskraft des Kampfsports nicht entziehen. Seit frühester Kindheit beobachtete die heute 16-Jährige ihre großen Geschwister auf der Matte und wollte es ihnen gleichtun. Auch ihr hatte Papa Achim, früher einmal Deutscher Juniorenmeister, wie allen Riegert-Kindern die Leidenschaft und Begeisterung für Judo in die Wiege gelegt und sie behutsam herangeführt. "Ich bin quasi in einer Judofamilie aufgewachsen und war von klein auf dabei. Ich stand schon mit vier auf der Matte und da ich auch von Anfang an erfolgreich war, hat es mir großen Spaß gemacht", erinnert sich Helene zurück. Mittlerweile hat sich der Teenager zu einer der besten Judoka bei den Juniorinnen in ihrer Gewichtsklasse bis 52 Kilogramm entwickelt.
In der 2. Bundesliga tritt sie neben ihren Schwestern für den JC Wiesbaden an, kämpft in der Deutschen Junioren-Nationalmannschaft und auf internationalem Parkett. Gerade erst wurde Helene von U18-Bundestrainerin Sandra Klinger für das European Youth Olympic Festival (EYOF) beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vorgeschlagen. Die Bestätigung des Dachverbands sollte bald folgen. Bei den "Olympischen Jugendspielen" vom 24. bis 30. Juli im slowakischen Banska Bistrica soll sie die deutschen Farben in ihrer Gewichtsklasse vertreten. Einen Monat später steht dann mit der Nachwuchs-WM in Sarajevo (Bosnien und Herzegowina) ein weiterer Höhepunkt auf dem Programm. "Die Teilnahme am EYOF wäre eine große Ehre für mich. Und auch die Weltmeisterschaft ist was ganz Besonderes", sagt Helene. Ihre Ansprüche an sich selbst sind bei diesen Events hoch, seit sie schon erfolgreich in Europacups gekämpft hat. "Unter Druck setze ich mich aber nicht. Ich fahre hin, schaue von Kampf zu Kampf und versuche, das Beste für mich herauszuholen. Ich gehe es ganz entspannt an", sagt die Schülerin des Sportinternats am Olympiastützpunkt in Köln.
Dorthin war sie Anfang des Jahres gewechselt, um sich sportlich weiterentwickeln zu können. "Ich brauchte den Wechsel, weil ich dort einfach bessere Möglichkeiten habe", sagt Helene. Vor allem die wesentlich kürzeren Wege zwischen Internat und Halle sind ein großer Vorteil. Zudem ist die Kommunikation zwischen Schule und Stützpunkt optimal. Erste Internatserfahrungen machte Helene bereits als Elfjährige in Kaiserslautern. Damals war das Heimweh aber noch zu groß und so ging sie nach einem halben Jahr wieder nach Hause. Jetzt passe es perfekt, berichtet die schlanke junge Frau. Der Tagesrhythmus liegt ihr - vormittags Schule, nachmittags bis zu fünf Stunden Training, dazwischen Lernen und am Wochenende heimfahren beziehungsweise Wettkämpfe. "Das bekomme ich gut hin. Ich fühle mich sehr wohl in Köln", sagt sie.
Am Olympiastützpunkt kann das Talent unter fachmännischer Anleitung weiter an der Technik feilen, Kraft und Kondition verbessern. Die 16-Jährige besticht durch ihre Gelenkigkeit, ihre Konterstärke und Variabilität. Mit ihrer Linksauslage haben viele Gegnerinnen Probleme. "Sie ist sehr willensstark, hasst es, zu verlieren, kann Niederlagen aber schnell abhaken und aus Fehlern lernen. Sie hat eine tolle Athletik und traut sich auch zu, große Techniken zu werfen. Sie hat ein großes Repertoire und ist selbst schwer zu werfen. Außerdem hat sie ein gutes Gefühl für Judo", berichtet Marcel Stebani, Coach von Helene in Wiesbaden. Helenes größte Erfolge sind aktuell drei dritte Plätze bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften 2020 und 2021 sowie in diesem Jahr Podestplätze im Europacup bei den Kadetten. Vor ein paar Wochen in Polen stand sie im Finale, in Tschechien wurde sie einen Monat vorher Dritte.
Erfolge, die Helene immer weiter antreiben. Sie ist kein Mensch, der sich weit aus dem Fenster lehnt, arbeitet lieber alles Schritt für Schritt ab. Manchmal jedoch wagt sie einen Blick in die Zukunft und wünscht sich wie so viele Nachwuchssportler eines ganz besonders: "Ich möchte unheimlich gern mal zu den Olympischen Spielen", sagt Helene. "Realistisch wäre es ab 2028 in Los Angeles. Vielleicht passt es."