Wiesbadener Sportvereine helfen Flüchtlingen aus der Ukraine
Bericht im Wiesbadener Kurier am 18.03.2022 von
WIESBADEN - Die Welle der Hilfsbereitschaft für die geflüchteten Menschen vor dem Krieg aus der Ukraine ist in Europa hoch. Auch in Deutschland und hier in der Region. Viele Organisationen und Privatleute helfen, darunter auch die Sportvereine. Über die Aktion des Fußballclubs SC Polonia hatten wir schon berichtet. Folgend weitere nachahmenswerte Beispiele aus Wiesbaden.
Sergey Raykov ist selbst Ukrainer. Der Triathlet des SC Wiesbaden lebt seit 2020 hier, holte im vergangenen Jahr seine Frau und die zwei Kinder nach. Nun wohnen seit Kurzem auch noch die aus Kiew geflüchtete Ex-Frau mit einem weiteren Kind und die Schwiegermutter bei Raykovs daheim. Doch Raykov, der demnächst beruflich zu einer Firma nach Schlangenbad in die Verwaltung wechselt, hilft noch viel mehr Menschen aus seiner Heimat. Rund 50 Familien hat der aus Dnipro stammende Raykov schon in allen Ecken von Deutschland mit seinen Kontakten untergebracht. Auf Vermittlung des Schwimm-Olympiasiegers von 1980, Serhij Fessenko, der in den USA lebt, kamen auch einige Kinder und Jugendliche bei Mitgliedern des SC Wiesbaden unter.
Nicht nur das. Beim SCW fanden sie auch gleich eine sportliche Heimat. "Ein großes Danke an unsere Mitglieder, die ein Stück von ihrem glücklichen Leben abgeben. Ich habe in strahlende Diamantaugen geblickt. Mir kamen fast die Tränen", berichtet SCW-Cheftrainer Oliver Großmann unter anderem von einem ukrainischen Mädchen, das nun mit einem Leuchten im Gesicht im Verein trainiert. Sechs Kinder in der Schwimm- und Wasserballabteilung sind es schon, Anfragen für weitere Kinder gibt es bereits. Der Diplom-Sportwissenschaftler Raykov, der früher selbst in Bayern als Triathlet in der 2. Bundesliga unterwegs war, hilft als Trainer und Dolmetscher.
Beim JC Wiesbaden sind sie auf die Ankunft einer Reisegruppe aus dem umkämpften Saporischschja vorbereitet. Ein Reisebus mit 21 minderjährigen Judoka hatte sich zusammen mit deren Trainer Kyryll Vertynskyi auf den Weg nach Wiesbaden gemacht. Alexander Grautegein stellte den Kontakt über die ehemalige JCW-Bundesliga-Kämpferin Maryna Cherniak her, die noch in der Ukraine weilt. Weil noch Platz im Bus war, wurden weitere Flüchtende unterwegs eingesammelt, insgesamt sind es jetzt über 30 Personen.
Koordiniert wurde die Hilfsaktion aufseiten des JCW unter der Federführung von Robertson Linsner durch Grautegein, Christoph Meister, Philipp Eckelmann und Achim Enders. "Ich finde es toll, wie schnell und unbürokratisch Hilfe organisiert wurde", mussten sich Linsner und das JCW-Team auch erst mal schlaumachen. "Sehr gute Gespräche" mit städtischen Stellen wie dem Jugendamt sowie der "Markt der Hilfe für die Ukraine" auf dem Wiesbadener Schlossplatz mit Ständen verschiedener kommunaler, zivilgesellschaftlicher und privater Hilfsinitiativen boten nützliche Informationen. "Bewunderns- und vor allem dankenswert ist die spontane Hilfsbereitschaft unserer Mitglieder.
Es wurden ad hoc Gästezimmer angeboten, die medizinische Versorgung geklärt, Trainingskleidung organisiert, die Dolmetscherfunktion besetzt, Tipps für Behördengänge und weitere Hilfe jeglicher Art angeboten", freut sich JCW-Sprecherin Tonja Bröder. Der Wunsch des ukrainischen Judoteams sei es, als Gruppe zusammen zu bleiben. "Judo war ihr Mittelpunkt in der Ukraine. Das wollen wir diesen jungen Leistungssportlern auch hier ermöglichen", sagt Linsner. Derzeit ist das Hilfsangebot noch in Warteposition, ist die ukrainische Gruppe doch aufgrund eines positiven Coronatestes in Wien gestrandet, soll aber möglichst nach einer Freitestung noch diese Woche nach Wiesbaden kommen.
Hilfsbereitschaft stand auch beim TC Blau-Weiß Wiesbaden im Fokus. Mit Beteiligung von zahlreichen Menschen im sowie dem Umfeld des Clubs. "Es war einfach eine tolle Gemeinschaftsaktion", sagt Stephan Hanft, 1. Vorsitzender des Tennisvereins von der Blumenwiese. Der grobe Ablauf: Ukrainische Arbeitskollegen von Hanft organisierten einen Hilfstransport in ihr Heimatland und stellten dabei auch Transporter bereit. Die dann natürlich mit den nötigsten Hilfsgütern befüllt werden wollten.
Der Vorstand des TC Blau-Weiß kam so auf die Idee, die Mitglieder des Vereins ins Boot zu holen und einen Spendenaufruf über den Mail-Verteiler zu starten, um die Aktion zu unterstützen. Das Ergebnis waren letztlich über 32.000 medizinische Produkte, 2700 Batterien, 200 Powerbanks und 1300 Hygieneartikel - zu denen der Club durch Sachspenden (die am Clubheim im Kurpark abgegeben werden konnten) sowie Geldspenden in Höhe von 14.000 Euro beigetragen hat. Mit dem Geld konnten medizinische Güter eingekauft werden. "Wir hatten schon öfter Spendenaktionen, aber so viel Geld in so kurzer Zeit - das ist bisher einmalig", konnte es auch Hanft nicht so ganz fassen. "Wir waren superbegeistert von der Hilfsbereitschaft." Der Transport mit den Hilfsgütern kam dann in Lemberg an, wurde von dort aus innerhalb der Ukraine weiterverteilt. Doch es gab noch einen zweiten Teil der Hilfsaktion. Wie Hanft schildert, schaffte es der TCBW mithilfe der TNT Tennisbase Wiesbaden - die das Training für die Clubmitglieder organisiert und über eine Tennisacademy Kontakt in die Ukraine hat - Unterbringungsmöglichkeiten für mehrere geflüchtete Kinder und ihre Mütter zu finden, die den Wirren des Kriegs irgendwie entkommen und sich nach Wiesbaden durchschlagen konnten.
Auch bei der Wiesbadener Eintracht nimmt man die Menschen, die vor dem russischen Überfall aus der Ukraine geflohen sind, mit offenen Armen auf. Ab sofort können alle Ukrainer kostenlos Mitglied des Vereins werden. "Dieser Krieg mitten in Europa sorgt für schreckliches Leid", sagt Peter Gresch, Vorsitzender des Vereins. "Wir wollen den Menschen aus der Ukraine eine sportliche Heimat bieten, schnell und unkompliziert. Wir lassen niemanden allein."