Kendo beim JC Wiesbaden mehr als wilder Schwertkampf
Bericht im Wiesbadener Kurier am 09.04.2024
Alle Schüler betreten mit einer Verbeugung die Sporthalle und finden sich in der Mitte der 2023 fertiggestellten Halle der Gutenbergschule in einem Kreis wieder. Die Kendokas, samt Lehrer und Abteilungsleiter Mathias Pürthner, knien zu Boden und schließen für einige Sekunden ihre Augen, bevor das Aufwärmprogramm startet. „Lasst alle Sorgen und Probleme des Tages fallen”, sagt Mathias Pürthner seinen „Schülern”. Schon vor dem Trainingsbeginn wird deutlich, dass es bei diesem Sport um mehr geht, als das bloße Aufeinanderschlagen mit Schwertern.
Wiesbadener bringt Sport von Japan-Aufenthalt mit
Der Judo Club Wiesbaden 1922 ist nach dem 1. DJC Frankfurt der zweitälteste Judo Club Deutschlands. Kendo nahm erst 43 Jahre später, im Jahr 1965, Einzug ins Programm des JCW, gilt damit jedoch als Vorreiter des deutschen Kendo-Sports. Der Wiesbadener Gerd Wischnewski brachte den Sport von seinem Japan-Aufenthalt mit. Eberhard Riemann und Gerd Walsdorf gehören zu seinen ersten Schülern, von 1969 bis 1971 war Wischnewski dann Bundestrainer der Sektion Kendo und Aikido. Trainiert wird in der Hessischen Landeshauptstadt auch heute noch – und dass viermal die Woche, in einer der drei zur Verfügung stehenden Sporthallen. Kendo lässt sich ins Deutsche übersetzen mit „der Weg des Schwertes” und gilt als Trainingsmethode der Samurai. Statt mit scharfen Klingen, kämpft der Kendoka mit einem Bambusschwert aus vier zusammengebundenen Bambusstreben, dem „Shinai“. Ziel im Wettkampf ist es, dem Gegner an einer der vier Trefferflächen zu erwischen.
"Mit Wut und Nervosität kommt man beim Kendo, als auch im wahren Leben nicht weiter." Mathias Pürthner
Die Trefferflächen bestehen aus dem Kopf (Men), dem Handgelenk (Kote), dem seitlichen Oberkörper (Do) und dem Stich an die Kehle (Tsuki). Dabei gilt Kendo als Sport für jeden, unabhängig von Alter, körperlichen Voraussetzungen und Geschlecht. Die Härte der Sportart sollte dabei nicht vergessen werden. „Beim Kendo geht man permanent über die eigenen Grenzen hinweg”, berichtet Trainer Mathias Pürthner aus eigener Erfahrung.
Neben der sportlichen Ertüchtigung sei hier auch die mentale und persönliche Entwicklung relevant. „Mit Wut und Nervosität kommt man beim Kendo, als auch im wahren Leben nicht weiter”, sagt Pürthner. Es geht um Zielstrebigkeit, Verantwortungsbewusstsein und die Achtung des Gegenübers – sowie der Traditionen.
Der Kendo-Schüler Steven Quincy-Jones, beschreibt den Sport mit den Worten: „Jede Hürde lerne ich individuell zu bewältigen und merke, dass ich genauso im Alltag handeln kann. Dabei gibt mir Kendo die Möglichkeit, den Fokus auf mich selbst und meinen Körper zu richten.“
Zweimal im Jahr finden Anfängerkurse in Wiesbaden statt, die jedes Jahr sehr gut besucht werden. „Auch außerhalb dieser zwei Termine sind Interessierte Willkommen. Es bietet sich jedoch an, mit anderen Anfängern gleichzeitig zu beginnen, auch für uns Trainer ist das leichter”, erzählt Mathias Pürthner mit Blick auf die unterschiedlichen Leistungsfähigkeiten zu Beginn.